Hintergrund

Animierte Landkarte 1900–2010

Landschaftswandel

Mit grosser Eindringlichkeit zeichnen Ewald und Klaus in ihrem Buch «Die ausgewechselte Landschaft» das katastrophale Ausmass der Zerstörung, Banalisierung und Verschandelung der Schweizer Landschaft während der vergangenen Jahrzehnte nach, den immensen Verlust an Vielfalt, Natürlichkeit und «Wohnlichkeit». Diese «Auswechs­lung» der Landschaft geht nach wie vor ungebremst weiter, und mit ihr auch der Verlust von Boden, unserer Lebensgrundlage und wertvollsten Ressource.

Die Umgestaltung der Landschaft lässt sich ansatzweise auch anhand des Siedlungs- und Infrastrukturbaus verfolgen. Eine gute Möglichkeit dazu bietet das interaktive Zeitreise-Tool von swisstopo.

swisstopo Zeitreise

Das grundlegende Problem der Schweiz mit ihren natürlichen Ressourcen ist die Tendenz, alles zu Geld zu machen und alles, was nicht zu Geld gemacht werden kann, zu beseitigen. Das gilt auch für die Ausstattung der Landschaft. Unsere Gesellschaft wird zunehmend von reinem Nützlichkeitsdenken dominiert. Klaus Ewald, Gregor Klaus, «Die ausgewechselte Landschaft»
Bäume in Winternacht

Welchen Wert hat Landschaft?

Mit 2.5 Milliarden Franken beziffert das SECO die Wertschöpfungsleistung der Schweizer Landschaft für die Tourismusbranche. Jenseits von solch funktionalen Betrachtungsweisen und abseits eines reinen Nützlichkeitsdenkens lässt sich der tatsächliche Wert, die tatsächlich erbrachte Leistung von Landschaft nicht beziffern. So wird uns wohl auch das wirkliche Ausmass des Verlustes erst nach und nach klar werden.

Der Ökonom Hans-Christoph Binswanger hat schon vor Jahrzehnten die «Blindheit der ökonomischen Theorie gegenüber der Natur» beklagt. Was die klassische Nationalökonomie nämlich nicht sehen will: Wertschöpfung ist letztendlich Umwandlung von Natur in Geld – und damit Verbrauch von Natur (und Landschaft).

Kulturlandschaft Felder

Kulturlandschaft

Die Kulturlandschaft der Schweiz ist zu einem bedeutenden Teil das Ergebnis jahrtausende­langer Nutzung und Formung durch den Menschen. Diesen Gestaltungs­prozess könnte man – stark vereinfachend – in zwei Phasen unterteilen:

Ausbildung der Kulturlandschaft (bis ca. 1800)

Öffnen bzw. offenhalten der Landschaft und des (Ur-)Waldes durch Rodungen und (Wald-)Bewei­dung, Schaffen einer vielfältigen Mosaiklandschaft durch Anlegen von Äckern, Feldern und anderen Landschafts­elementen. Dank grosser struktureller Vielfalt erreicht die Biodiversität im späten 18. Jahrhundert wohl ihren Höchststand.

Ausräumen der Landschaft im Verlauf einer mehrstufigen Agrarrevolution (nach 1800)

Einführung von Graswirtschaft und Stallhaltung, Entmischung der land- und holz­wirtschaftlichen Flächen (Aufgabe der Waldweiden, Wälder werden zu «Holzäckern» und Fichten­monokulturen), zunehmender Einsatz von Maschinen und Chemie, Meliorationen (Erschliessungs­wege, Entwässerun­gen, Eindohlungen, Beseitigung von «störenden» Elementen wie Hecken, Bäumen, Mulden, etc.). Das Ausräumen der Landschaft führt zu einem immensen Verlust an struktureller Vielfalt und damit einhergehend zu einem massiven Artenschwund.

Landschaft - Historisches Lexikon der Schweiz
Landwirtschaft - Historisches Lexikon der Schweiz

Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet.
Paul Cézanne
Sitzbank auf Anhöhe

Landschaft und Gesundheit

Dass Menschen bestimmte Orte gerne aufsuchen, mag am «genius loci» liegen, moderner ausge­drückt: dem «sense of place», der Atmosphäre des Ortes. Dass die Umgebung unmittel­baren Einfluss auf das Wohl­befinden der Menschen hat, gilt als gesichert. Auch ihr Einfluss auf die physische Gesundheit wird zunehmend klarer. Dies könnte weit­reichende Konsequenzen für die Gestaltung von Räumen, Städten und Land­schaften haben. Im Rahmen der Gesundheits­vorsorge müsste nämlich – neben der Umwelt­verträglichkeit – auch die Frage nach der Gesundheits­verträglichkeit von Umgebungs- und Landschafts­gestaltungen ins Zentrum rücken.

Eine gute Übersicht zum Thema liefert der Essay von Raimund Rodewald: Landschaft und Gesundheit (PDF).

Der Zustand der äusseren Natur und der Zustand der inneren Natur korrespondieren. […] Genauso, wie sich die äussere Natur psychisch niederschlägt, ist der Zustand der äusseren Natur auch ein Spiegelbild der inneren psychischen Verfassung des Menschen. Ulrich Gebhard, «Kind und Natur»
Obstgarten

Vielfalt

Je abwechslungs­reicher eine Landschaft erscheint, desto vielfältiger und kleiner strukturiert ist im Allgemeinen auch die Nutzung auf dieser Fläche. Das Landschafts­bild wird durch diese Vielfalt bereichert. Eine grosse Zahl an unter­schiedlichen Nutzungen ermöglicht auch ökologische Nischen. Die Mechanisierung und Intensivierung der Land­wirtschaft sowie die Steigerung der Produktion und die sinkende Zahl der Landwirtschafts­betriebe führt zu einer Verarmung der Kultur­landschaft: Kleine Betriebe mit vielfältigen Nutzungen weichen zunehmend grösseren Betrieben mit weniger Nutzungen.

Signet Kreisverkehr

Offene Kreisläufe

Der von Natur aus geschlossene Stickstoff­kreislauf ist durch drei verschiedene menschliche Aktivitäten komplett aus dem Gleichgewicht geraten: durch den exzessiven Einsatz von Kunst­dünger in einer im Übermass intensivierten Land­wirtschaft, durch den hohen Fleisch­konsum einer stetig wachsenden Bevölkerung sowie durch die allgegen­wärtigen Verbrennungs­prozesse von Autos, Lastwagen, Flugzeugen, Industrie und Heizungen. Die Aus­wirkungen der hohen Nährstoff­einträge in die Umwelt (Seen, Wälder, Moore, Magerwiesen) sind verheerend. Treibende Grösse in der Schweizer Stickstoff­bilanz ist der zunehmende Import von Futter­mitteln zur Fleisch- und Milch­produktion.

BAFU, «umwelt» 2/2014, Thema Stickstoff

Haber-Bosch-Verfahren (Wikipedia)
Ammoniak (Wikipedia)

Ackerterrassen Muelershus

Agrarmorphologische Formen

Die nach traditionellen Methoden bewirt­schafteten Felder liessen bereits in der Frühzeit charakteristische Formen entstehen. Die deutlichste Ausprägung erreichten diese landschafts­prägenden Strukturen im Mittelalter: Wölbacker, Anwand, Lesestein­haufen, Weidgasse, Acker­terrassen, Hohlwege.

Prägende Landschaftselemente

Thema Landschaft (ARE)

Auf der Website des Kantons (ARE) findet man neben viel Information auch Inventare zu prägenden Landschaftselementen.

Thema Landschaft (ARE)
Ackerterrassen Fuchsgrueb

Ackerterrassen

Ackerterrassen gehören zu den eindrücklichsten Kultur­formen, welche vom Menschen erschaffen wurden.

Hochacker

Hochäcker

Hochäcker sind uralte Zeugen des Ackerbaus mit nicht wendbaren Pflugscharen.

Solitärbaum

Freistehende Bäume

Bäume prägen unser Brauchtum und unsere Landschaft seit Menschengedenken.

Geotope im Kanton Thurgau

Geotope

Geotope sind geologisch wertvolle Elemente der Landschaft.

Strukturreiche Landschaft

Vorrang Landschaft

Besonders schöne und schützenswerte Thurgauer Landschaften.