Landschaftswandel
Mit grosser Eindringlichkeit zeichnen Ewald und Klaus in ihrem Buch «Die ausgewechselte Landschaft» das katastrophale Ausmass der Zerstörung, Banalisierung und Verschandelung der Schweizer Landschaft während der vergangenen Jahrzehnte nach, den immensen Verlust an Vielfalt, Natürlichkeit und «Wohnlichkeit». Diese «Auswechslung» der Landschaft geht nach wie vor ungebremst weiter, und mit ihr auch der Verlust von Boden, unserer Lebensgrundlage und wertvollsten Ressource.
Die Umgestaltung der Landschaft lässt sich ansatzweise auch anhand des Siedlungs- und Infrastrukturbaus verfolgen. Eine gute Möglichkeit dazu bietet das interaktive Zeitreise-Tool von swisstopo.
Das grundlegende Problem der Schweiz mit ihren natürlichen Ressourcen ist die Tendenz, alles zu Geld zu machen und alles, was nicht zu Geld gemacht werden kann, zu beseitigen. Das gilt auch für die Ausstattung der Landschaft. Unsere Gesellschaft wird zunehmend von reinem Nützlichkeitsdenken dominiert. Klaus Ewald, Gregor Klaus, «Die ausgewechselte Landschaft»
Welchen Wert hat Landschaft?
Mit 2.5 Milliarden Franken beziffert das SECO die Wertschöpfungsleistung der Schweizer Landschaft für die Tourismusbranche. Jenseits von solch funktionalen Betrachtungsweisen und abseits eines reinen Nützlichkeitsdenkens lässt sich der tatsächliche Wert, die tatsächlich erbrachte Leistung von Landschaft nicht beziffern. So wird uns wohl auch das wirkliche Ausmass des Verlustes erst nach und nach klar werden.
Der Ökonom Hans-Christoph Binswanger hat schon vor Jahrzehnten die «Blindheit der ökonomischen Theorie gegenüber der Natur» beklagt. Was die klassische Nationalökonomie nämlich nicht sehen will: Wertschöpfung ist letztendlich Umwandlung von Natur in Geld – und damit Verbrauch von Natur (und Landschaft).
Kulturlandschaft
Die Kulturlandschaft der Schweiz ist zu einem bedeutenden Teil das Ergebnis jahrtausendelanger Nutzung und Formung durch den Menschen. Diesen Gestaltungsprozess könnte man – stark vereinfachend – in zwei Phasen unterteilen:
Ausbildung der Kulturlandschaft (bis ca. 1800)
Öffnen bzw. offenhalten der Landschaft und des (Ur-)Waldes durch Rodungen und (Wald-)Beweidung, Schaffen einer vielfältigen Mosaiklandschaft durch Anlegen von Äckern, Feldern und anderen Landschaftselementen. Dank grosser struktureller Vielfalt erreicht die Biodiversität im späten 18. Jahrhundert wohl ihren Höchststand.
Ausräumen der Landschaft im Verlauf einer mehrstufigen Agrarrevolution (nach 1800)
Einführung von Graswirtschaft und Stallhaltung, Entmischung der land- und holzwirtschaftlichen Flächen (Aufgabe der Waldweiden, Wälder werden zu «Holzäckern» und Fichtenmonokulturen), zunehmender Einsatz von Maschinen und Chemie, Meliorationen (Erschliessungswege, Entwässerungen, Eindohlungen, Beseitigung von «störenden» Elementen wie Hecken, Bäumen, Mulden, etc.). Das Ausräumen der Landschaft führt zu einem immensen Verlust an struktureller Vielfalt und damit einhergehend zu einem massiven Artenschwund.
Landschaft - Historisches Lexikon der Schweiz
Landwirtschaft - Historisches Lexikon der Schweiz
Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet.
Paul Cézanne
Landschaft und Gesundheit
Dass Menschen bestimmte Orte gerne aufsuchen, mag am «genius loci» liegen, moderner ausgedrückt: dem «sense of place», der Atmosphäre des Ortes. Dass die Umgebung unmittelbaren Einfluss auf das Wohlbefinden der Menschen hat, gilt als gesichert. Auch ihr Einfluss auf die physische Gesundheit wird zunehmend klarer. Dies könnte weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung von Räumen, Städten und Landschaften haben. Im Rahmen der Gesundheitsvorsorge müsste nämlich – neben der Umweltverträglichkeit – auch die Frage nach der Gesundheitsverträglichkeit von Umgebungs- und Landschaftsgestaltungen ins Zentrum rücken.
Eine gute Übersicht zum Thema liefert der Essay von Raimund Rodewald: Landschaft und Gesundheit (PDF).
Der Zustand der äusseren Natur und der Zustand der inneren Natur korrespondieren. […] Genauso, wie sich die äussere Natur psychisch niederschlägt, ist der Zustand der äusseren Natur auch ein Spiegelbild der inneren psychischen Verfassung des Menschen. Ulrich Gebhard, «Kind und Natur»
Vielfalt
Je abwechslungsreicher eine Landschaft erscheint, desto vielfältiger und kleiner strukturiert ist im Allgemeinen auch die Nutzung auf dieser Fläche. Das Landschaftsbild wird durch diese Vielfalt bereichert. Eine grosse Zahl an unterschiedlichen Nutzungen ermöglicht auch ökologische Nischen. Die Mechanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft sowie die Steigerung der Produktion und die sinkende Zahl der Landwirtschaftsbetriebe führt zu einer Verarmung der Kulturlandschaft: Kleine Betriebe mit vielfältigen Nutzungen weichen zunehmend grösseren Betrieben mit weniger Nutzungen.
Offene Kreisläufe
Der von Natur aus geschlossene Stickstoffkreislauf ist durch drei verschiedene menschliche Aktivitäten komplett aus dem Gleichgewicht geraten: durch den exzessiven Einsatz von Kunstdünger in einer im Übermass intensivierten Landwirtschaft, durch den hohen Fleischkonsum einer stetig wachsenden Bevölkerung sowie durch die allgegenwärtigen Verbrennungsprozesse von Autos, Lastwagen, Flugzeugen, Industrie und Heizungen. Die Auswirkungen der hohen Nährstoffeinträge in die Umwelt (Seen, Wälder, Moore, Magerwiesen) sind verheerend. Treibende Grösse in der Schweizer Stickstoffbilanz ist der zunehmende Import von Futtermitteln zur Fleisch- und Milchproduktion.
Agrarmorphologische Formen
Die nach traditionellen Methoden bewirtschafteten Felder liessen bereits in der Frühzeit charakteristische Formen entstehen. Die deutlichste Ausprägung erreichten diese landschaftsprägenden Strukturen im Mittelalter: Wölbacker, Anwand, Lesesteinhaufen, Weidgasse, Ackerterrassen, Hohlwege.